Yannick Wolf darf sich ab sofort U 23-Europameister nennen. Foto: Theo Kiefner // Auch Nick Jäger darf mit seinem elften Rang im 3000-Meter-Finale mehr als zufrieden sein. Foto: Stephan Jäger

12.07.2021 02:34 // Von: leichtathletik.de/Reinhard Köchl

U 23-EM Tallinn: Yannick Wolf ist Europameister mit der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel!

Was für ein Schlusstag bei der U 23-EM in Tallinn (Estland)! Das DLV-Team belegte nur knapp geschlagen Rang zwei im Medaillenspiegel, obwohl einige potenzielle Leistungsträger wegen ihrer Nominierung für die Olympischen Spiele in Tokio nicht angetreten waren, und zum Happyend gab es auch noch eine Goldmedaille für einen bayerischen Athleten. Yannick Wolf (LG Stadtwerke München) wurde als Startläufer der deutschen 4 x 100-Staffel in Europarekordzeit U 23-Europameister. Für Mona Mayer (LG Telis Finanz Regensburg), die zu ihrem fünften harten Rennen in vier Tagen antreten musste, blieb in der 4 x 400 Meter-Staffel trotz einer abermals bravourösen Leistung nur der undabkbare vierte Rang. Nick Jäger (TSV Penzberg) landete im Endlauf über 3000 Meter Hindernis auf Rang elf.

Schon im Vorlauf hatten die deutschen Kurzsprinter mit locker herausgelaufenen 39,03 Sekunden gezeigt, dass der U 23-EM-Titel über 4 x 100 Meter nur über sie vergeben wird. Und im Finale legten Yannick Wolf, Luis Brandner (LC Top Team Thüringen), Milo Skupin-Alfa (LG Offenburg) und Joshua Hartmann (ASV Köln) noch eine Schippe drauf. Mit 38,70 Sekunden steigerte das DLV-Quartett als Europameister den acht Jahre alten U 23-Europarekord von Großbritannien um sieben Hundertstelsekunden.

 

„Der U 23-Europarekord ist auf jeden Fall möglich“, hatte Luis Brandner schon nach dem Vorlauf gesagt. Und der Erfurter, der auf Position zwei eine starke Gegengrade lief, sollte recht behalten. Dabei waren die Wechsel im Finale zwar risikoreicher als im Vorlauf, aber noch lange nicht voll ausgereizt. Mit starken 39,00 Sekunden sicherten sich die Spanier Silber vor der Ukraine (39,45 Sekunden). Die traditionell schnellen Briten brachten den Staffelstab nichts ins Ziel.

 

„Es hat ziemlich viel zusammengepasst, wir haben das Ding gerockt“, jubelte Startläufer Yannick Wolf nach dem Gold-Coup. Dabei war die verpasste Einzelmedaille über 100 Meter am Freitag ein Ansporn für die DLV-Sprinter. „Wir haben uns richtig heiß gemacht und richtig einen rausgeknallt. Wir haben mit dem Europarekord geliebäugelt und sind volle Attacke gelaufen“, so der Münchner. Das perfekte Zusammenspiel des DLV-Quartetts und die Top-Motivation wurde mit Gold plus Rekord gekrönt. Leider nur die Rolle es anfeuernden Zuschauers blieb in Tallinn Yannick Wolfs Vereinskameraden Fabian Olbert (LG Stadtwerke München) - ebenso wie Marina Scherzl (LG Kreis Dachau) und Tina Benzinger (LG Stadtwerke München), die als "Backup"-Staffelläuferinnen beim Gewinn der Goldmedaille von Einzel-Europameisterin Lilly Kaden (LG Olympia Dortmund), Keshia Kwadwo (LC Paderborn), Sophia Junk (LG Rhein-Wied) und Talea Prepens (TV Cloppenburg) extrem wichtige moralische Unterstützung leisteten.

 

Zum EM-Abschluss schnappt sich „DLV-Vierer“ nach Disqualifikation Bronze

 

Beim finalen Wettbewerb der U 23-EM in Tallinn wollten die Schweizer angeführt von ihrem Ausnahmeläufer Ricky Petrucciani zu Gold über 4 x 400 Meter laufen. Bis kurz vor dem finalen Wechsel lag das Quartett mit Filippo Moggi auch in Führung. Doch nach einer vom niederländischen Läufer Djoao Lobles ausgelösten Rempelei stürzten der Schweizer sowie der Brite Aidan Leeson. Der Traum vom Titel war für die Eidgenossen vorbei.

 

15 Meter vor dem Ziel überholte der niederländische Schlussläufer Ramsey Angela den französischen Schlussläufer Ludovic Ouceni und jubelte über Gold. Die Niederländer durften sich aber nur kurz freuen. Denn aufgrund der Rempelei eine Runde zuvor wurde die Staffel disqualifiziert. So ging der Sieg mit 3:05,01 Minuten an Frankreich vor Italien (3:06,07 Minuten). Ein Protest der Niederländer gegen die Disqualifikation wurde etwa eine Stunde nach dem Rennen abgelehnt.

 

Überraschend schnappten sich Johannes Nortmeyer (USC Mainz), Kevon Joite (Dresdner SC), Ben Zapka (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Langhürden-Spezialist Emil Agyekum (SCC Berlin), der den im Vorlauf eingesetzten Arne Leppelsack (TSV Gräfelfing) gestarteten Schlussläufer ersetzte, in einem etwas chaotischen Finale mit 3:06,42 Minuten die Bronzemedaille. Emil Agyekum fing dabei auf der Schlussrunde den türkischen Schlussläufer Ilyas Canakci wenige Schritte vor dem noch Ziel ab. „Nach Platz sieben in den Vorlauf haben wir überhaupt nicht mit einer Medaille gerechnet. Aber nun haben wir sie“, jubelte Startläufer Johannes Nortmeyer. Der Fight um jeden Meter und jeden Platz hatte sich gelohnt. Trotz seiner Zuschauerrolle im Endlauf bekam auch Arne Leppelsack eine Bronzemedaille.

 

DLV-Frauen-Staffel erkämpft sich Platz vier

 

Noch ein letztes Mal hieß es "Kräfte mobilisieren" für die Stadionrunde. Und das für Luna Thiel (VfL Eintracht Hannover) und Mona Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) schon zum vierten beziehungsweise bei Mona Mayer sogar fünften Mal im Rahmen der Meisterschaften sowie nur wenige Stunden nach dem Staffel-Vorlauf am frühen Vormittag. Nach dem morgendlichen klaren Sieg wurde es am Abend deutlich härter, was sich schon daran zeigte, dass nach der ersten Stabübergabe von Brenda Cataria-Byll (LG Olympia Dortmund) an Lisa-Sophie Hartmann (VfL Sindelfingen) und dem Ende der Kurvenvorgabe nicht die Führung, sondern ein umkämpfter dritter Platz die Ausgangslage für den weiteren Rennverlauf bildete.

 

Lisa-Sophie Hartmann übergab hinter Frankreich und Tschechien sowie knapp vor Polen den Stab an Luna Thiel, die die dritte Position bis kurz vor dem letzten Wechsel halten konnte. Knapp zogen die Polinnen dann noch vorbei und Schlussläuferin Mona Mayer konnte mit einem schnellen Antritt die Tschechin Barbora Malikova hinter sich lassen. In dieser Konstellation ging's auf die Zielgerade, und da war es die Tschechin, die das letzte Wort hatte. Die 19 Jahre junge U 23-Vize-Europameisterin hatte auf den letzten 100 Metern das beste Stehvermögen und schob sich von Rang vier noch auf den ersten Platz nach vorne – Gold für Tschechien in 3:30,11 Minuten vor Frankreich (3:30,33 Minuten) mit neuem U 23-Landesrekord vor Polen (3:30,38 Minuten).

 

Für die deutsche Staffel gab es Platz vier ebenfalls mit einer herausragenden Zeit: 3:30,72 Minuten waren drei Sekunden unterhalb der Zeit, mit der die deutsche Staffel zwei Jahre zuvor U 23-EM-Bronze geholt hatte. Gleichzeitig war es die schnellste, in diesem Jahr bislang gelaufende Zeit eine DLV-Frauenstaffel - noch schneller als das bundesdeutsche Quartett bei den World Athletics Relays Anfang Mai im ponischen Chorzów. "Das war mehr Arbeit als im Vorlauf", bestätigte Luna Thiel anschließend, "mit so vielen Läufen in den Beinen wurde es noch mal anstrengend. Aber es waren auch Athletinnen vieler anderen Nationen am Start, die viele Rennen in den Beinen hatten. Die hatten heute vielleicht ein Quäntchen mehr Glück. Aber Platz vier ist ein super Ergebnis!"

 

Mona Mayer bot auch im fünften Lauf innerhalb von vier Tagen noch einmal ein herausragende Leistung. Laut der offiziellen Messung des Europäischen Leichtathletik-Verbandes absolvierte sie als Schlussläuferin und mit Abstand Schnellste im deutschen Quartett die Stadionrunde in 51,45 Sekunden.

 

Nick Jäger läuft im Hindernis-Finale auf Platz elf

 

Gold-Favorit István Paklovits hatte nach etwas mehr als der Rennhälfte im Finale über 3000 Meter Hindernis in Tallinn genug. Der Ungar setzte zum Steigerungslauf von der Spitze an und gab die Führung bis zum Schluss nicht mehr ab. Er hatte sogar die Muße, um sich auf der Zielgeraden umzublicken und Richtung ungarischer Mannschaft zu gestikulieren.

 

Mit 8:34,05 Minuten setzte sich István Paklovits deutlich vor Etson Barros (Portugal; 8;38,00 Minuten) und Nahuel Carabana (Andorra; 8:39,17 Minuten) durch. Die Kilometer zwei und drei lief der Europameister in jeweils 2:51 Minuten. Für Andorra war es die erste Medaille überhaupt in der Geschichte der U 23-Europameisterschaften.

 

Nick Jäger (TSV Penzberg) lief zunächst im Feld mit, musste dabei aber mehreren Stürzen ausweichen. Als das Tempo anzog, konnte der 21-Jährige nicht mehr ganz folgen. Mit 8:50,77 Minuten belegte Nick Jäger am Ende Rang elf. „Es war ein hartes Rennen, zumal ich noch nicht oft in so großen Feldern gelaufen bin. Ich hatte mir schon mehr erwartet, aber am Ende ist das Ergebnis in Ordnung“, sagte Nick Jäger.