Im wahrsten Wortsinn vielseitig und hochbegabt: Nils Kremling gewann in Rostock den Titel über 400 Meter // Lilly Samaski wurde Deutsche Meisterin im Stabhochsprung // Die Sprinthoffnung der Zukunft: Annika Just holte zwei Medaillen // Linus Liebenwald gewann nach einem spannenden Hammerwurffinale Silber // Souverän: Linda Meier (Zweite von rechts) kontrollierte die 3000 Meter. Dahinter folgt ihr Magdalena Engl // Julia Schmidt erkämpfte sich ihr zweites DM-Silber in diesem Jahr // Pech hatte Georg Harpf: Er wurde Vierter mit der gleichen Weite wie der Bronzemedaillengewinner // Ebenfalls auf Rang vier: Linda Eisenreich // Maria Anzinger etabliert sich in der Spitze der deutschen Hürdensprinterinnen. Fotos: Claus Habermann (9), Theo Kiefner

04.08.2021 11:47 // Von: Reinhard Köchl

Jugend-DM U 18: Zehnkämpfer Kremling holt Titel über 400 Meter, Samanski Stabhoch-Gold

Viel Licht, aber auch viel Schatten: Die Bilanz der bayerischen U 18-Jugendlichen bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock hinterlässt bei den Verantwortlichen zwiespältige Gefühle. Zum einen gab es zwei relativ überraschende Titel, durch Zehnkämpfer Nils Kremling, der mit deutscher Jahresbestzeit die 400 Meter für sich entschied, und Stabhochspringerin Lilly Samanski, die in Abwesenheit ihrer Trainingspartnerin Chiara Sistermann die Gunst der Stunde nutzte, sowie insgesamt neun Medaillen. Dennoch ist unübersehbar, dass es in einigen Disziplinen große Nachwuchsprobleme gibt.

Wo genau die Ursachen dafür liegen, darüber gehen die Meinung natürlich auseinander. Selbstverständlich spielt die lange Pause während des Corona bedingten Lockdowns im Winter und Frühjahr eine Rolle. Doch auch die Struktur der Nachwuchsförderung, beginnend beim Heimtraining und später der ausgewogene Wechsel mit dem Stützpunkttraining, ist nicht wenigen Fällen noch optimierungsfähig. Manchmal ist es aber bei Talenten der fehlende Wille, trotz durchaus vorhandener körperlicher Eignung den Schritt zum Leistungssport und damit auch zum regelmäßigen Training zu vollziehen. Dies erfordert Entbehrungen, von den jungen Sportlerinnen und Sportlern, aber auch höheren Einsatz bei den jeweiligen Heimtrainern.

 

Zehnkämpfer Nils Kremling dominiert die Stadionrunde

 

Einer, der längst Leistungssport mit all seinen positiven und negativen Begleiterscheinungen betriebt, konnte in Rostock endlich die Früchte seiner Mühen ernten. Nils Kremling (LG Landkreis Roth), eines der größten bayerischen Nachwuchstalente in den vergangenen Jahren, zeigte auf der Stadionrunde das beste Finish und sprintete in 48,16 Sekunden zum Titel und zur neuen deutschen Jahresbestleistung. Es war eine Demonstration, die der 17-Jährige da im Ostseestadion über die oft verhassten 400 Meter zeigte. Nach einem kontrollierten, aber schnellen Angang kam Kremling in der Zielkurve mächtig auf und ließ die gesamte Konkurrenz auf der Zielgeraden stehen. Silber ging an den Neubrandenburger Elija Ziem, der das Rennen zu offensiv angegangen war und nach 48,41 Sekunden die Ziellinie überquerte. Und als Beweis seiner Vielseitigkeit schrammte Nils Kremling im Weitsprung als Fünfter mit starken 7,04 Meter noch haarscharf an einer weiteren Medaille vorbei. Es wird interessant, den weiteren Weg dieses jungen Sportlers zu verfolgen.

 

Lilly Samanski eröffnet Titel-Reigen

 

Ganz zu Beginn der Titelkämpfe von Rostock schwang sich Lilly Samaski (TSV Gräfelfing) im Stabhochsprung mit 3,85 Metern über die Latte - und wurde Meisterin, weil ihre ebenfalls noch in der U 18 startberechtige Trainingspartnerin Chiara Sistermann in der U 20 gemeldet hatte. Bereits nach 3,72 Metern stand die 16-Jährige als Siegerin fest, nachdem die Zweitplatzierte Tamineh Steinmeyer (WGL Schwäbisch Hall; 3,62 Meter) dreimal an dieser Höhe gescheitert war. Bis zu ihrer Sieghöhe leistete sich Lilly Samanski keinen einzigen Fehlversuch, erst bei der Veier-Meter-Marke – was gleichzeitig neue Bestleistung bedeutet hätte – war der Wettbewerb für sie beendet. Auf Rang vier verpasste Theresa Albrecht (TSV Gräfelfing) mit 3,37 Meter eine Medaille nur knapp.

 

Zwei Medaillen für Annika Just

 

Ebenfalls eine, der die Zukunft gehört, holte in Rostock wie ihre ältere Kollegin Sabrina Hafner in der weiblichen U 20 gleich zwei Mal Edelmetall - wo sie über 100 Meter nur um einen Wimpernschlag an Gold vorbeischrammt. So lag Annika Just (LAC Passau) bei ständig wechselnden mit ihren 11,83 Sekunden im Endlauf nur um ganze zwei Hundertstelsekunden hinter der haushohen Favoritin Laura Raquel Müller (Unterländer LG; 11,81 Sekunden), aber noch vor Vivian Groppe (MT Melsungen; 11,87 Sekunden), die tags zuvor die 200 Meter in 24,12 Sekunden gewonnen hatte. Hier wurde Just in 24,47 Sekunden mit Bronze dekoriert. Da die junge Passauerin im Gegensatz zu ihren Konkurrentinnen auch im kommenden Jahr noch in der Altersklasse U 18 starten darf, gilt es für Trainer Tobias Brylka kontinuierlich und ruhig an seinem "Rohdiamanten" weiterzuarbeiten.

 

Ein weiteres Sternchen aus der Passauer Talenteschmiede schnappte sich mit Linda Meier (LAC Passau) Silber über 3000 Meter. Zur Siegerin Kira Weis (KSG Gerlingen) bestand zwar gehöriger Abstand. Aber die souveräne Art, wie Meier ihren zweiten Platz sicherte, lässt ebenfalls für die Zukunft Hoffnungen keimen. Starke Platzierungen konnten auch die weiteren Bayerinnen in diesem Feld einheimsen: Magdalena Engl (LG Telis Finanz Regensburg) wurde in 10:06,29 Minuten hervorragende Fünfte und Eliese Hohmann (LAZ OPbernburg-Miltenberg) kam in 10:16,09 Minuten auf Platz acht.

 

Liebenwald verpasst Gold, Conversa sichert sich Silber

 

Zu einem Krimi um den Titel eines Deutschen U 18-Meisters entwickelte sich der Hammerwurf der männlichen Jugend. Vor allem der fünfte Durchgang wirbelte die Platzierungen gehörig durcheinander: Zunächst konnte sich Linus Liebenwald (UAC Kulmbach) mit 62,33 Metern an die Spitze katapultieren, direkt danach gelang Benedikt Schweizer (TSV Bayer Leverkusen), der zuvor außerhalb der Medaillenränge gelegen hatte, ein Wurf auf 62,81 Meter und damit die Führung. Im letzten Durchgang gelang keinem der beiden mehr eine Verbesserung, sodass Gold und Silber an Schweizer und Liebenwald gingen.

 

Die Arbeit von Bundesnachwuchstrainer Jonas Bonewit am Standort München trägt schon erste Früchte. So schaffte es Raffaele Conversa (LG Kreis Dachau) auf Anhieb, sich einen Platz auf dem Treppchen zu sichern. Mit 65,71 Metern und zwei weiteren Versuchen über 65 Meter sicherte sich der 17-Jährige souverän Silber. Mit Benedikt Müller (TV 1861 Amberg) schaffte es noch ein zweiter Bayer in den Endkampf. Er wurde Sechster mit 57,03 Metern.

 

Geherin Julia Schmidt holt Vizetitel

 

Eine klasse Vorstellung lieferte im 3000 Meter Bahngehen Julia Schmidt (SpVgg Niederaichbach) ab, die in 14:54,13 Minuten zwar nicht an ihrer Dauerkonkurrentin Lena Sonntag (SC Potsdam; 14:23,43 Minuten) vorbeikam, aber doch recht deutlich ihre zweite DM-Silbermedaille in diesem Jahr absicherte. Beachtenswert auch Marie Krebfelder (LAC Quelle Fürth) als Fünfte (15:43,30 Minuten).

 

Julia Rath gewinnt Bronze über 1500 Meter

 

Eng ging es auf der Zielgeraden zu, als die Medaillen über 1500 Meter der weiblichen Jugend U 18 vergeben wurden. Mittendrin: Julia Rath (LAC Quelle Fürth). Für externe Beobachter eigentlich normal, aber in Wirklichkeit keine Selbstverständlichkeit. Denn erst seit sieben Wochen konnte junge Mittelstrecklerin wieder Laufen, zu groß schien der Trainingsrückstand nach einem Radsturz. Doch davon ließ sich Rath nicht beirren, übernahm im Finale sofort selbstbewusst die Führung und sprengte mit einem markanten Steigerungslauf schnell das Feld. Am Ende zogen zwar noch zwei Mitstreiterinnen knapp vorbei, doch das wusste die Nürnberger Sportschulenschülerin richtig einzuordnen. "Den April und Mai durch konnte ich ja nicht trainieren, daher war das heute in 4:31 Minuten das Optimum. Ich selber hatte die Saison sogar schon abgeschrieben, daher freue ich mich um so mehr, dass alle gesagt haben, ich könnte es ja einfach probieren". Eine starke Leistung zeigte auf Platz sechs bei ihren ersten Deutschen Meisterschaften die erst 15-jährige Karla Hiss (MTV 1862 Pfaffenhofen). In 4:38,14 Minuten zeigte das Lauftalent einmal mehr sein großes Potenzial.

 

Riesenpech hatte Bayerns führender U 18-Kugelstoßer Georg Harpf (MTV 1881 Ingolstadt). Nicht  nur, dass ermit 16,67 Meter Platz vier belegte und somit im Kampf um das begehrte Edelmetall knapp leer ausging. Dass auch der Bronzemedaillengewinner Lasse Schulz (TV Plieningen) 16,67 Meter zu Buche stehen hatte, aber wegen seines besseren zweiten Versuches auf der Stockerl aufrückte, schmerzte im Nachhinein doppelt. Auf Rang fünf landete seine Münchner Trainingspartner Mikosch Dahmen (LG Stadtwerke München) mit einer Weite von 16,32 Meter.

 

Noch eine Passauer Nachwuchsläuferin durfte mit Laura Eisenreich (LAC Passau) über 2000 Meter Hindernis zumindest an den Medaillen schnuppern. Sie kam ebenso wie Georg Harpf auf Platz vier ein, blieb mit 6:59,52 Minuten noch unter der wichtigen Sieben-Minuten-Marke, hatte aber tatsächlich mit der Verteilung der Podestplatzierungen nichts zu tun.

 

Achhamer und Becker in starken Sprint-Finals Fünfte

 

Jeweuils respektable fünfte Plätze hab es für Maximilian Achhammer (TSV 1880 Schwandorf) im 100-Meter-Endlauf und für Anna Becker (LG Stadtwerke München) über 400 Meter. Achhammer zeigte sich mit seinen 10,94 Sekunden in jeder Hinsicht als dazu befähigt, in der deutschen Spitze mitzuhalten, während Becker über 400 Meter ihre Bestzeit auf starke 56,60 Sekunden drückte, obwohl ihr 16. Geburtstag in diesem Jahr erst noch bevorsteht. Mit Sonja Blöchl (LAZ Kreis Günzburg) kam einer weitere Bayerin in diesem Finale auf Rang sieben (57,35 Sekunden).

 

Ebenfalls in der erweiterten deutschen Spitze etabliert hat sich Hürdensprinterin Maria Anzinger (LAC Passau). Ihr sechster Platz in hervorragenden 13,80 Sekunden in einem hervorragend besetzten Endlauf war aller Ehren wert.

 

Auch eine Reihe anderer Sportlerinnen und Sportler schaffte, sich in Rostock für die Finals zu qualifizieren. Luisa Kammerl lag als Sechste enger an den Medaillenrängen, als dies ihre beste Weite erkennen lässt (45,82 Meter). Rang sieben gingen an Anna Sophie Hilgenburg (LG Stadtwerke München) im Diskuswerfen (39,17 Meter), Christian Ammer (TuS 1860 Pfarrkirchen) im Dreisprung (11,90 Meter), Jana Schüler (LAG Mittlere Isar) im Hochsprung (1,71 Meter) und Julika Marie Bonewit (LG Stadtwerke München) im Kugelstoßen (14,94 Meter). Achte wurden Hanna Ackermann (LG Telis Finanz Regensburg) über 400 Meter Hürden (66,78 Sekunden), Karin Dobiasch (LG Würm Athletik) über 800 Meter (2:22,23 Minuten) und Christian Wimmer (TSV 1880 Wasserburg) im Stabhochsprung (4,00 Meter).