Das beste bayerische U 20-Ergebnis ging auf das Konto von Stabhochspringerin Chiara Sistermann // Lisa Lankes (Zweite von rechts) holte Silber über 800 Meter . . . // . . . ebenso wie Linda Meier über 3000 Meter // Marie Krebfelder nützte die Chance und gewann Bronze // Hannah Wörlein // Riesiges Pech hatte Viola John // Hannah Fleischmann // Dominik Idzan // Finn Hösch. Fotos: Theo Kiefner, Claus Habermann

22.07.2022 15:36 // Von: Reinhard Köchl

Jugend-DM Ulm U 20: Schlechtestes Bayern-Ergebnis seit vielen Jahren

Man muss lange zurückdenken, um sich an ein derart suboptimales Gesamtergebnis aus bayerischer Sicht bei Deutschen Jugendmeisterschaften zu erinnern. Der Landesverband, der in den vergangenen Jahren in der Altersklasse U 20 nie eine schlechtere Position in der Punktewertung als Rang drei einnahm, landete am Ende der Titelkämpfe von Ulm auf einem ernüchternden siebten Gesamtrang. Dies ist umso bedeutungsschwerer, weil die Punkte der U 20 bislang als Bewertungskriterium für die staatlichen Fördermittel dienten. Die Ursachen für den Einbruch lagen zum einen an diversen kurzfristigen Erkrankungen, aber manchmal auch schlicht am Pech. Die einzige Goldmedaille von insgesamt vier Mal Edelmetall ging auf das Konto von Stabhochspringerin Chiara Sistermann (TSV Gräfelfing).

Gibt es weitere Gründe für das schlechte Abschneiden? Sicherlich darf man zu Recht darauf hoffen, das die starken Athletinnen und Athleten aus dem Jahrgang U 18, die für Bayern den ersten Rang in der Länderwertung, erliefen, erworfen oder ersprangen, im nächsten Jahr zum Teil in die U 20 aufrücken. Dennoch muss es zu denken geben, dass Bayern in erschreckend vielen Disziplinen nicht einen einzigen Starter nach Ulm schicken konnte. Ein Resultat von Corona, sozusagen "Late Covid Leichtathletik"? Oder ein strukturelles Problem, das bereits in den Vereinen beginnt?

 

Die Sportlerinnen und Sportler, die in Ulm antraten, darf man sicherlich nicht für das Debakel verantwortlich machen. Allerdings waren einige, wie zum Beispiel die erkrankten Julia Rath (LAC Quelle Fürth), die die Fahrtkarte für die U 20-Weltmeisterschaften in Cali (Kolumbien) vom 1. bis zum 6. August über 3000 Meter Hindernis schon in der Tasche hatte, und Top-Geherin Julia Schmidt (SpVgg Niederaichbach) sowie Sabrina Hafner (LG Stadtwerke München), zweifache Medaillengewinnerin vom Vorjahr über die Sprintstrecken, zuhause geblieben - Letztere wegen einer Verletzung. Dazu kam noch ausgesprochenes Pech, etwa als Sprinterin Viola John (LG Stadtwerke München) als Jahrgangsbeste in Deutschland über 100 Meter ihre Cali-Hoffnungen jäh begraben musste. Nachdem sie die Halbfinales bei allerdings zu starkem und daher nicht bestenlistenreifen 11,51 Sekunden als Gesamtschnellste zurückgelegt hatte, folgte im Finale ein Drama. Nach einer gelben Karte beim ersten Startversuch aufgrund eines Wacklers im Oberkörper misslang ihr bei der Wiederholung der Start vollkommen, so dass es lediglich zu Rang sieben und einer Zeit von 11,71 Sekunden reichte. Und es sollte noch schlimmer kommen: Über 200-Meter wurde die junge Münchnerin im Endlauf dann nach einem weiteren Wackler mit der zweite gelben Karte des Wochenendes disqualifiziert.

 

Das nächste Drama folgte im 110-Meter-Hürdenlauf, wo der frischgebackene Hartmut-Schweitzer-Wanderpreisträger Vincent Just (LAC Passau) alles auf eine Karte setzte, bis zur achten Hürde auf Medaillenkurs lag, dann aber aufgrund eines technisches Fehlers ins Straucheln kam und ausscheiden musste. Dazu kam noch die Fersenverletzung des deutschen U 20-Dreisprungmeisters Sebastian Kottmann (LG Stadtwerke München), die er sich zuvor beim Hochsprung zugezogen kann. Nix war`s mit der erfolgreichen Titelverteidigung. Allein die dabei fehlenden Punkte hätten den BLV in eine völlig andere Ausgangsposition versetzt . . .

 

Chiara Sistermann setzt das Glanzlicht

 

Keine Schuld an dem Ergebnis traf Stabhochspringerin Chiara Sistermann (TSV Gräfelfing), die ihr Soll mit der maximalen Punktzahl und dem Titel voll erfüllte. Denn für Sistermann kamder Ulm-Wettkampf einem Befreiungsschlag gleich. Nach einer bisher schwierigen Saison sprang sie sich im Ulmer Donaustadion frei, um dann in luftige Höhen aufzusteigen. Sie stellte mit 4,25 Metern eine neue persönliche Bestmarke auf, knackte die U 20-WM-Norm und krönte sich zur neuen Deutschen U20-Meisterin. „Mein Ziel waren die 4,05 Meter. Ich war ja die Quali noch nicht gesprungen und ich habe mir die ganze Woche schon selbst Druck gemacht, weil ich wusste: Ich will zur WM. Ich glaube, nach den 4,05 Metern ist dann so ein bisschen der Knoten geplatzt. Der Druck, den ich mir gemacht habe war raus, aber das Adrenalin war noch da. Die 4,25 Meter waren dann eigentlich nur noch Bonus“, blickte sie nach der Siegerehrung zurück, „Meine Saison war bisher wirklich gar nicht gut. Ich hatte mir Mitte Mai die Bänder gerissen und dann war ich krank, also ist das jetzt echt eine Erleichterung.“ Auf Platz sechs lieferte Lena Zintl (LG Stadtwerke München) mit 3,60 Meter ein solides Ergebnis ab.

 

Silber für Lisa Lankes und Linda Meier, Bronze für Marie Krebfelder

 

Für diesjährige Ulmer Verhältnisse ausnahmsweise stark aus bayerischer Sicht besetzt war der 800-Meter-Endlauf der weiblichen U 20. Hier sah es lange nach einer guten Platzierung der deutschen Hallenmeisterin von 2020, Nele Göhl (LG Eckental) aus. Doch in einem taktisch klugen Rennen bewies Lisa Lankes (SWC Regensburg) Spurtqualitäten und sicherte sich am Schluss mit 2:08,74 Minuten Silber sicherte. Göhl wurde Fünfte in 2:10,76 Minuten. Lange Zeit sah Linda Meier (LAC Passau) über 3000 Meter wie die Siegerin aus, bis die 18-Jährige von Kira Weis (KSG Gerlingen) noch überlaufen wurde. Ihr Vizetitel in 9:36,67 Minuten zählte jedoch zu den wenigen herausragenden U 20-Momenten aus der bayerischen Perspektive. Bliebe noch die vierte und letzte Medaille zu würdigen, die für Geherin Marie Krebfelder (LAC Quelle Fürth) wie auch für ihren Verein völlig unerwartet kam. Mit einem schnellen Schlusskilometer rang Krebelder einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag viele höher gewettete Gegenerinnen nieder und schnappte sich mit neuer Bestzeit über 3000 Meter Gehen in 15:25,36 Minuten Bronze, während Djamilla Jürgen (TSV Kranzegg) in 17:17,47 Minuten Sechste wurde.

 

Nur um einen Fehlversuch verpasste Hochspringer Tim Kraus (LG Landkreis Roth) das Podest. Mit 2,03 Meter belegte er höhengleich mit dem Dritten Finn Friedrich (WSSV Suhl) den vierten Platz. Das gleiche Schicksal ereilte Weitspringerin Hannah Wörlein (TSV Ochenbruck), die sich trotz exzellenter 6,21 Meter als Vierte neben dem Podest einreihen musste, ebenso wie die bravourös kämpfte Frieda Giersdorff (TSV Jahn Freising) über 2000 Meter Hindernis, die auf Rang vier in 6:59,62 Minuten landete, und Sprinterin Hannah Fleischmann (LG Stadtwerke München), die über 200 Meter mit einer neuen Bestzeit 24,28 Sekunden Bronze nur haarscharf verpasste. Fünfte Plätze gab es für Speerwerfer Jakob Eberler (LG Landkreis Roth; 66,21 Meter) und Hammerwerfer Kilian Drisga (TSV 1880 Wasserburg;  60,58 Meter), jeweils Sechste wurden Finn Hösch (LG Stadtwerke München) über 2000 Meter Hindernis (6:04,83 Minuten), Dominik Idzan (LG Stadtwerke München), der trotz erreichter Norm für den DLV-Perspektivkader (18,93 Meter) nicht mit der Medaillenvergabe zu tun hatte, und Jonas Babinsky (LG Main-Spessart) über 800 Meter (1:52,51 Minuten). Für Linus Liebenwald (UAC Kulmbach) endete die Hammerwurf-Konkurrenz auf Rang sieben (59,00 Meter), während es folgende Athletinnen und Athleten immerhin noch in den Endkampf beziehungsweise Endlauf schafften und am Schluss Platz acht belegten: Christina Ammer (TuS 1860 Pfarrkirchen) im Dreisprung (12,06 Meter), Julika Marie Bonewit (LG Stadtwerke München) im Kugelstoßen (12,71 Meter), Enrico da Cruz (LG Stadtwerke München) im Kugelstoßen (16,00 Meter), Miriam Kauer (TSV 1860 Rosenheim) über 400 Meter (56,68 Sekunden) und Jakob Nützel (LG Neumarkt-Freystadt) im Diskuswerfen (51,34 Meter).